Glück beginnt im Kopf

Jeder von uns hält den Schlüssel dazu selbst in der Hand. Glücklichsein kann man lernen. 

Ein chinesisches Sprichwort sagt: "Wenn du für einen Tag glücklich sein willst, betrinke dich. Wenn du ein Jahr glücklich sein willst, dann heirate. Wenn du aber für immer glücklich sein willst, werde Gärtner".
Moderne Glücksforscher geben den alten Chinesen Recht. Seit Mitte der 70er Jahre versucht eine wachsende Schar von "Happyologen" zu ergründen, wie die Psychologie des Glücks funktioniert.
Und das kam dabei heraus:

  1. Der Rausch ist tatsächlich die Sprint-Version des Glücks: Die Glückszentren des Gehirns können schnell und wirkungsvoll durch eine Vielzahl von Stoffen stimuliert werden, ob sie nun im Kirschlikör oder in der Ecstasy-Pille stecken. Die Wirkung lässt allerdings rasch nach der Kater kommt bestimmt, und die Dosis muss bald gesteigert werden - Sucht droht. 
  2. Es sind auch nicht die herausragenden Ereignisse im Leben, die sich auf Dauer in der Glücksbilanz niederschlagen. Trotzdem sind sie häufig die Grundlage für anhaltendes Wohlbefinden: Aus dem Rausch der ersten Verliebtheit kann sich eine lange, glückliche Ehe entwickeln. 
  3. Das Gärtnerdasein dagegen vereint eine ganze Reihe wissenshaftlich gestützter Rezepte für ein Langstreckenglück: Man tut was Nützliches, lebt mit den Rythmen der Natur im einklang, ist körperlich tätig - und kann sich über bunte Blumen und gute Ernten freuen. 
Nun können wir nicht alle Gärtner werden. Aber glücklich möchten nahezu alle Menschen sein. Allerdings empfindet jeder sein Glück anders. Der amerikanische Psychologie David Myers hat es so definiert: Glück ist die "anhaltende Wahrnehmung eines Lebensabschnitts oder des ganzen Lebens als erfüllt, sinnvoll und angenehm". Er und seine Kollegen haben versucht, dem Geheimnis glücklicher Menschen durch Studien auf die Spur zu kommen. Dabei stießen sie auf etliche Erkenntnisse: 
Glückliche meistern ihr Leben. Zumindest empfinden sie das so. Das Gute widerfährt ihnen nicht schicksalhaft, sondern sie selbst sind die Urheber. Mit anderen Worten: ein Glück, das wir selbst herbeigeführt haben, können wir viel besser genießen als ein "unverdientes". Untersuchungen an Lottogewinnern zeigen, dass diese Glückspilze schon wenige Wochen, spätestens aber ein Jahr nach ihrem Treffer auf das alte Niveau "subjektiven Wohlbefindens" abgesackt sind, manchmal sogar noch darunter. 
Glück ist also das komplizierte Wechselspiel zwischen dem, was wir haben, und dem, was wir wollen. Wenn wir alles haben können, erlahmen Kreativität und Neugier. 
Und auch der alte Grundsatz: "Geld allein macht nicht glücklich" stimmt. Mit dem Reichtum verhält es sich wie mit der Gesundheit: Wir gewöhnen uns sehr schnell an einen Zustand, und jeder weitere Zuwachs bringt nur noch geringe emotionale Dividende. 
Genauso wenig wie der Reichtum sind auch Intelligenz und Schönheit Garanten für Lebensglück. Kluge, gut aussehende Menschen werden oft beneidet, sie mögen auch Vorteile im Leben haben - glücklicher als der Durchschnitt sind sie nicht. 
Glückliche Menschen sind aktiv. Die Arbeit wird als Quelle des Glücks oft unterschätzt. In einer groß angelegten Studie hat der ungarisch-amerikanische Glücks- und Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi seine Testpersonen gefragt, ob sie in ihrer Freizeit glücklicher seien oder an ihrem Arbeitsplatz. Eine deutliche Mehrheit meinte: in der Freizeit natürlich! 
Die Realität sieht anders aus. Csikszentmihalyi gab seinen Versuchspersonen einen elektronischen "Piepser" mit, über den sie eine Woche lang mehrmals täglich angefunkt wurden. Bei jedem Piepsignal mussten sie ihr gegenwärtiges Empfinden einschätzen und in ein Tagebuch eintragen. Fazit: Die meisten Glücksmomente wurden am Arbeitsplatz erlebt. Die Freizeit dagegen empfanden die Testpersonen nicht selten als stressig, langweilig oder enttäuschend. 
Bei ihrer Arbeit wiederum waren die Testpersonen häufig so engagiert und absorbiert, dass sie alles um sich herum vergaßen, weil ihre psychischen und körperlichen Fähigkeiten aufs Äußerste gefordert waren. Siege über die eigene Schwäche und Trägheit aber gehören zu den schönsten denn sie erhöhen das Selbstwertgefühl - und das macht glücklich. 
Belohnung macht froh. Glückliche Menschen sind aber auch in der Lage, loszulassen und sich zu entspannen. Obwohl sie den psychischen Wert von Leistung für sich schätzen gelernt haben, sind sie nicht von Ehrgeiz zerfressen. Sie kennen das Geheimnis von Anspannung und Entspannung. Ihr aktives Leben wird duch Phasen der Besinnung, durch Tagträume und süßes Nichtstun abgerundet. 
"Glück ist die Häufigkeit, nicht die Intensität von positiven gegenüber negativen Ereignissen", sagt der amerikanische Psychologe Ed Diener. Glückliche Menschen finden viele kleine Anlässe, sich wohl zu fühlen und zu freuen - ein gutes Essen, Musik, Geselligkeit - und mischen diese mit eher langfristigen Zielen. Wer sich dagegen nur auf die "Großereignisse" des Lebens konzentriert - das eigene Haus, den Vorstandsposten, die Weltreise - und vielleicht lange Zeit ohne Erfolg auf sie hin arbeitet, wird eher enttäuscht. 
Wenn wir nichts von dem erreichen, was wir anstreben, sind wir frustriert und verschwenden immer neue Zeit und Energie an vielleicht falsche Ziele. Es kommt daher auf die Balance zwischen unseren Ansprüchen und Möglichkeiten an. Wer zu sehr auf zukünftige Ziele fixiert ist oder zu häufig über verpasste Chancen grübelt, verliert diese Balance aus den Augen. 
Glückliche Menschen sind oft Realisten. Sie schätzen ihre Ziele und Möglichkeiten richtig ein. 
Glücklich ist man mit anderen. Glückliche Menschen glauben fest daran, dass andere sie schätzen und mögen. Gleichzeitig investieren sie sehr viel Zeit und Energie in soziale Beziehungen. Sie pflegen die Bindungen zu den Menschen, die ihnen wichtig sind. 
In nahezu allen Untersuchungen über die Quellen von Glück zeigte sich, dass Menschen sich dann am häufigsten und intensivsten glücklich fühlen, wenn sie mit anderen zusammen sind. 
Liebe, Freundschaft, Geselligkeit sind Eckpfeiler des Glücks im Leben der meisten Menschen. Gegenseitige Hilfe, die Möglichkeit der Aussprache, gemeinsame Unternehmungen sind nur einige der positiven Faktoren guter Beziehungen. Langfristig erweist sich das stete Bemühen um gute Sozialkontakte als die beste Investition in die eigene Zufriedenheit, in Gesundheit und Glück. Sie ist ein Gegenmittel zu Depression, Angst und Einsamkeit. 
Glücklichsein kann man lernen. Es sind bestimmte Eigenschafften, die es einem Menschen leichter machen, glücklich zu werden: Dazu gehören Optimismus, ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl und die Orientierung nach außen. Diese Eigenschaften sind teils genetisch bestimmt. Die Neigung zum Ärgern, zur Ängstlichkeit, zu Melancholie und Pessimismus wird stark von den chemischen Botenstoffen des Gehirns, den Neuropeptiden, beeinflusst. 
Aber selbst wenn die Neigung zu negativen Gefühlen teilweise biologisch programmiert ist, so mindert sie keineswegs schicksalhaft die Chancen auf Glück. Denn wie stark und oft wir positive Gefühle erleben, und damit einer ererbten Disposition zum  Unglück entgegen wirken können, hängt von uns selbst und unserer Umwelt ab. Die Anfälligkeit für "unglückliche" Gefühle mag ein angeborenes Handikap sein, aber die Fähigkeit zum Glück wird nicht vererbt, sie lässt sich lernen. 
Die Studien über glückliche Menschen zeigen uns, worauf es ankommt. Fünf Rezepte kristallisieren sich heraus: 
  1. Lerne, den Augenblick zu genießen. Tue das, was du tust, mit voller Konzentration. 
  2. Suche dir in Beruf und Freizeit Aufgaben, die dich voll fordern. 
  3. Investiere Zeit und Energie in die Menschen, die dir nahe stehen. 
  4. Konzentriere dich auf das Wesentliche im Leben. 
  5. Übe dich in Gelassenheit, versuche nicht, das Glück zu erzwingen! 

Von: Aktuelle Rundschau 10.August 2006

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